Bosnien

Wenn uns auf unseren Reisen in die Camps in der Türkei und im Libanon noch die strahlenden Kinderaugen die krasse Lebenssituation der Menschen kaschiert haben, so war das auf dem Hilfstransport nach Bihac (Bosnien) ganz und gar nicht der Fall.

Hier sind es nicht syrische Familien mit Kindern auf der Flucht, hier sind es vornehmlich junge Männer aus Afghanistan, Pakistan, Bangladesh, Kaschmir, …

Auch leben diese Menschen kaum in Camps, als viel eher in alten Bauruinen, verlassenen oder im Bosnien-Krieg zerbombten Häusern oder sehr provisorischen Plastikfolien-Zelten irgendwo im Wald oder auf den Feldern.

Wer es sich irgendwie noch leisten kann, die 2.000-3.000,-€ aufzubringen, um damit ein sog. Taxi (Schlepper) zu bezahlen, der tut das. Denn hier zu „stranden“ kommt wohl tatsächlich dem Strand von Libyen gleich: Wie das Mittelmeer für afrikanische MigrantInnen die riskanteste, oft todbringende, letzte Etappe ist, so sind die Wälder an den östlichen Grenzen der EU die schwierigste und gefährlichste Strecke für Geflüchtete auf ihrem Weg ins „gelobte Land“.

Die jungen Männer in Bihac erzählen uns oftmals, dass sie schon 2-3 Jahre auf der Flucht vor Armut, Krieg und Ausbeutung sind. Nach dieser langen Zeit ist das für die Reise ersparte Geld weitgehendst aufgebraucht und spätestens nach dem ersten gescheiterten Versuch, von Bihac zu Fuß in die EU nach Kroatien zu gelangen, haben die europäischen Grenzschützer neben anderen Habseligkeiten auch oft das letzte Geld der Flüchtenden einkassiert.

Die kroatische Polizei kontrolliert hier die EU-Außengrenze und wird von unserer EU dazu angehalten, möglichst rigoros alle Versuche illegal in die EU einzureisen abzuwehren.

Besonders perfide: Neben dem Geld werden den Menschen oft auch Telefon, Schlafsack und Schuhe abgenommen. Auf illegale Weise werden die Grenzgänger teils weit ins Landesinnere Bosniens zurück verfrachtet und ohne Schuhe, Handy und Schlafsack wird jeder weitere Versuch sich nur der Grenze zu nähern, gerade zur Winterzeit zur Tortur.

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Wir, von der Karawane der Menschlichkeit, haben in Bosnien mit der Organisation SOS-Bihac zusammengearbeitet. Deren Gründer Zlatan Kovačević schildert uns die häufigsten Verletzungen, die von seinem Team an Medizinern behandelt werden müssen. Erfrierungen an den Füßen, schwere Magen- und Verdauungsprobleme, Fieber aber auch üble Knochenbrüche, Schwellungen und Hautverletzungen durch körperliche Misshandlungen der Polizei.

Zlatan meint: „Wem nur Geld, Handy und Schuhe genommen werden, der hat eigentlich noch Glück gehabt!“

Mit das schrecklichste was seinen Leuten unter komme, seien neben erfrorenen Menschen, Menschenleiber, welchen die Organe entnommen wurden.

- Die Grausamkeit kennt kein Ende…

Es scheint auch in der Fluchtbewegung eine gewisse Hierarchie zu geben:
Wer aus bestimmten Ländern kommt und das nötige Geld besitzt, kann auf legale Weise in die EU immigrieren.

Wer aus dem falschen Land oder mit der falschen Fluchtursache kommt, aber zumindest die finanziellen Mittel besitzt, kann über illegale Fluchthelfer relativ sicher die EU-Außengrenze überqueren.

Ganz unten in dieser Hierarchie stehen aber wohl diese Menschen hier, die außer den Kleidern am Leib oft nichts mehr besitzen und so zu Fuß die scharf bewachte grüne Grenze überschreiten wollen.

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Bei all dem Elend war es dennoch schön zu sehen, wie freundlich und oft auch humorvoll Zlatan und seine Leute mit den Geflüchteten umgehen. Auf ihren Patrouillen halten sie immer wieder an, um am Wegesrand dahin Wandernde zu fragen, ob sie medizinische Hilfe benötigen, Kleidung, Schlafsack oder einfach nur Wasser. Häufig sind es „alte Bekannte“, die seit Monaten von hier aus versuchen ihr „Game“ zu machen, wie der Versuch des Grenzübertritts ironischerweise genannt wird.

Gut zu wissen, in welche Hände unsere Hilfe hier gelangt und gut zu wissen, dass Zlatan keine Unterschiede macht zwischen ethnischer, religiöser oder nationaler Herkunft der Menschen.
Auch bosnischen Menschen steht SOS-Bihac bei. Während unseres Aufenthalts besuchen wir unter anderem zwei alleinstehende alte Bosnier, sowie eine junge Mutter, die von ihrer eigenen Mutter zur Prostitution gezwungen wurde und nun unter dem Schutz von SOS-Bihac ihr Baby groß ziehen darf. „Wenn ich nur den Geflüchteten helfe, dann ziehe ich den Ärger und den Neid meiner eigenen Leute auf mich.“ sagt Zlatan, der als Teenager im Bosnien-Krieg selbst ein Bein verloren hat. „Wenn ich aber genauso Bosniern, Serben und Kroaten in Not helfe, werden auch die Einheimischen mich akzeptieren und unterstützen was wir hier tun.“ Und die Armut in Bosnien ist tatsächlich groß, was durch die aktuellen Spannungen dieses gespaltenen Landes nicht besser werden dürfte.

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Nach gut 24 Stunden im Zollhof von Bihac traf der LKW der Karawane der Menschlichkeit schließlich in Zlatans kleiner Lagerhalle ein.

Gemeinsam mit SOS-Bihac konnten über 10 Tonnen mit (Waldviertler-)Schuhen, Kleidung, Schlafsäcken, Zelten, Isomatten, Medizin, … zügig entladen und zur weiteren Verteilung vorsortiert werden.

Danke an alle HelferInnen und UnterstützerInnen in Österreich, Deutschland und Bosnien!

Wer die Arbeit der Karawane der Menschlichkeit unterstützen möchte, kann das gerne hier tun:

https://karawane-der-menschlichkeit.org/spenden/

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